Nach Schätzungen der Finanzverwaltung entstehen jährlich Steuerausfälle in Milliardenhöhe durch manipulierte Kassen. Vor diesem Hintergrund trat Ende Dezember 2016 das Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen in Kraft. Der Gesetzgeber will damit Steuerausfällen entschieden entgegentreten. Das SHBB Journal hatte in Ausgabe 1/2017 ausführlich über die Neuregelungen berichtet.
Ein Kernpunkt der gesetzlichen Neuregelung ist die Einführung einer Kassen-Nachschau. So darf seit Anfang 2018 ein Amtsträger der Finanzverwaltung ohne Vorankündigung Betriebe zur Kassen-Nachschau aufsuchen. Mit einem aktuellen Schreiben aus Mai 2018 hat das Bundesfinanzministerium (BMF) einen Anwendungserlass zur Durchführung einer Kassen-Nachschau veröffentlicht. Der Inhalt des BMF-Schreibens sowie Praxishinweise hierzu sollen anhand des nachfolgenden Fragen-Antworten-Katalogs vorgestellt werden:
Wird die Kassen-Nachschau angekündigt?
Die Kassen-Nachschau wird durch die Finanzverwaltung außerhalb einer Außenprüfung durchgeführt und dementsprechend nicht vorher angekündigt.
Muss der Steuerpflichtige die Kassen-Nachschau dulden?
Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, dass die Durchführung einer Kassen-Nachschau gegenüber dem beauftragten Finanzbeamten mittels Einspruch angefochten wird. Der Einspruch hat allerdings keine aufschiebende Wirkung und hindert daher nicht an der Durchführung der Kassen-Nachschau. Dazu müsste neben dem Einspruch auch ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt werden. Problematisch hierbei ist allerdings, dass der Einspruch und auch der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung sofort bei Erscheinen des Amtsträgers in den Räumlichkeiten des Steuerpflichtigen gestellt werden müsste. Nach Abschluss einer Kassen-Nachschau sind der Einspruch sowie der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nämlich unzulässig. Wenn Ergebnisse einer Kassen- Nachschau in einem Steuerbescheid berücksichtigt werden, muss dieser Steuerbescheid angefochten werden.
Welche Kassensysteme unterliegen der Kassen-Nachschau?
Der Kassen-Nachschau unterliegen unter anderem elektronische oder computergestützte Kassensysteme oder Registrierkassen, App-Systeme, Waagen mit Registrierkassenfunktion, Taxameter, Wegstreckenzähler, Geldspielgeräte und offene Ladenkassen. Bei offenen Ladenkassen erfolgt eine summarische, retrograde Ermittlung der Tageseinnahmen sowie der manuellen Einzelaufzeichnungen ohne Einsatz technischer Hilfsmittel.
Welchen Zeitraum umfasst eine Kassen-Nachschau?
Das Gesetz sieht keinen bestimmten Zeitraum für eine Kassen-Nachschau vor. Nach Auffassung des BMF bestimmt der mit der Kassen-Nachschau beauftragte Amtsträger den Zeitraum.
Kann der Amtsträger einen Kassensturz verlangen?
Im Rahmen einer Kassen-Nachschau kann der Amtsträger einen sogenannten „Kassensturz“ verlangen. Nach Auffassung des BMF ist die Kassensturzfähigkeit ein wesentliches Element der Nachprüfbarkeit von Kassenaufzeichnungen jedweder Form. Ob ein Kassensturz in der Praxis verlangt wird, ist eine Ermessensentscheidung des mit der Kassen-Nachschau beauftragten Amtsträgers.
Muss sich der Finanzbeamte ausweisen?
Der Finanzbeamte hat sich spätestens dann auszuweisen, wenn er öffentlich nicht zugängliche Geschäftsräume betreten will, den Unternehmer oder dessen Angestellte auffordert, die Kasse zugänglich zu machen oder Aufzeichnungen, Bücher sowie die für die Führung des elektronischen Kassensystems vorzuhaltenden Organisationsunterlagen, insbesondere Bedienungsanleitung, Programmierprotokolle oder ähnliches, vorzulegen, Einsichtnahme in die digitalen Daten beziehungsweise deren Übermittlung verlangt oder um spezielle Auskünfte bittet. Die betroffenen Unternehmer oder deren Angestellte sollten sich in diesem Fall in der Praxis insbesondere den Namen des Finanzbeamten notieren.
Was passiert bei einer Kassen-Nachschau, wenn der Unternehmer nicht anwesend ist?
Wenn der Unternehmer selbst oder der gesetzliche Vertreter beispielsweise der Geschäftsführer einer GmbH nicht anwesend ist, aber Personen, von denen angenommen werden kann, dass sie über alle wesentlichen Zugriffsund Benutzungsrechte des Kassensystems verfügen, hat der Finanzbeamte sich gegenüber diesen Personen auszuweisen und sie zur Mitwirkung bei der Kassen-Nachschau aufzufordern. Diese Personen sollen dann nach Auffassung des BMF die Pflichten des Unternehmers erfüllen, soweit sie hierzu rechtlich und tatsächlich in der Lage sind.
Diese Auffassung des BMF hatte bereits im Vorwege zu erheblichen Diskussionen geführt. In der Regel muss sich nämlich das Ladenpersonal nur mit der Kasse auskennen und ist nur zum Verkauf von Waren oder der Erbringung von Dienstleistungen im Auftrag des Unternehmers ermächtigt. Von einer Bevollmächtigung des Ladenpersonals, den Unternehmer gegenüber der Finanzbehörde zu vertreten, kann nicht allgemein ausgegangen werden. Potentiell von einer Kassen-Nachschau betroffene Unternehmer sollten deshalb nicht befugten Mitarbeitern Auskünfte gegenüber der Finanzverwaltung untersagen.
Darf der Finanzbeamte in den Geschäftsräumen die Abläufe beobachten, ohne sich vorher auszuweisen?
Die Beobachtung der Kasse und ihrer Handhabung in Räumlichkeiten, die der Öffentlichkeit zugänglich sind, ist nach Auffassung des BMF ohne Pflicht zur Vorlage eines Ausweises zulässig. Dies gilt beispielsweise auch für Testkäufe.
Hat der Finanzbeamte Zugriff auf die Kassendaten und Kassenbelege?
Die Abgabenordnung sieht ein Datenzugriffsrecht bei einer Kassen-Nachschau vor. Dementsprechend hat der Unternehmer auf Verlangen dem Finanzbeamten für einen bestimmten Zeitraum Einsichtnahme in seine digitalen Kassenaufzeichnungen und Kassenbuchungen sowie die für die Kassenführung erheblichen Organisationsunterlagen, beispielsweise Bedienungsanleitung, Programmierprotokolle und ähnliches, zu gewähren. Der Finanzbeamte kann darüber hinaus verlangen, dass ihm die gespeicherten Daten auf einem Datenträger zur Verfügung gestellt werden. Ab 2020 sind die digitalen Aufzeichnungen über einen dann notwendigerweise zum Einsatz kommenden Fiskalspeicher in einem standardisierten Format zur Verfügung zu stellen.
Welche Folgen treten bei Beanstandungen der Kassenaufzeichnung ein?
Sofern Beanstandungen der Kassenaufzeichnungen beziehungsweise Kassenbuchungen oder ab 2020 hinsichtlich des Fiskalspeichers bestehen, kann der Finanzbeamte ohne vorherige Prüfungsanordnung zu einer normalen Außenprüfung übergehen. Bei dieser Entscheidung handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Anlass zu Beanstandungen kann nach Auffassung des BMF beispielsweise bestehen, wenn Dokumentationsunterlagen wie die aufbewahrungspflichtige Bedienungsanleitung oder Protokolle nachträglicher Programmänderungen des Kassensystems nicht vorgelegt werden können.
Wird über die Kassen-Nachschau ein Bericht gefertigt?
Ein Prüfungsbericht über die Kassen-Nachschau ist nach Auffassung des BMF nicht zu fertigen.
Unser Rat:
Bisher gibt es noch kaum Praxiserfahrungen im Zusammenhang mit der Durchführung einer Kassen-Nachschau durch die Finanzverwaltung. Wenn ein Finanzbeamter in Ihren Geschäftsräumen zur Kassen-Nachschau erscheint, heißt es zu allererst: Ruhe bewahren und Ihren Steuerberater informieren. Für Fragen rund um die ordnungsgemäße Kassenführung steht Ihnen Ihre SHBB Beratungsstelle zur Verfügung.
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